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Carbon lock-in

  • Benno Müller
  • 2. März 2023
  • 4 Min. Lesezeit

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Wie viel Treibhausgase wir innerhalb der nächsten Jahrzehnte ausstoßen, legen wir zum Teil jetzt schon fest. Um die negativen Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen, muss neue errichtete, für eine lange Laufzeit geplante Infrastruktur schon jetzt angepasst werden, um einen Carbon lock-in zu vermeiden.


Gliederung




1 Einleitung


In der aktuellen Phase meiner Bachelorarbeit befasse ich mich mit Lösungen für eine CO2-ärmere Produktion von Stahl, Aluminium und E-Auto Akkus. Für Stahl beispielsweise sind völlig neue Technologien notwendig, um die gewünschte CO2 Reduktion in großem Maße zu erzielen. Konkret zählen als Hoffnungsträger und "breakthrough technologies" die Verwendung von Wasserstoff (H2), Carbon Capture Utilization and Storage (CCUS) und Lichtbogenöfen (Electric Arc Furnace, EAF), die zu großen Teilen auch mit Schrott betrieben werden können.

Diese Technologien sind aber noch nicht ganz Marktreif und brauchen noch weitere Entwicklung.

Solche großindustriellen Anlagen sind typischerweise mit hohen Investitionskosten verknüpft und für lange Zeiträume geplant - ist eine Anlage gebaut, soll sie mehrere Jahrzehnte bestehen und laufen. Alternative Technologien, deren Erfolg nicht ganz sicher ist oder von vornherein mit höheren Kosten zu rechnen ist, tragen damit ein hohes Risiko.

Zusätzlich ist die Konkurrenz auf dem Markt global, und Preise werden manchmal sogar vom globalen Markt vorgegeben, was die Kosten zusätzlich zu einer großen Hürde macht. Es ist also schwierig, auf die klimafreundliche Alternative umzusteigen und es wird sich oft noch für die konventionellen Technologien entschieden.

Und hier kommt das Konzept des "Carbon lock-in" ins Spiel.



2 Was ist Carbon lock-in


Wenn der Übergang zu emissionsarmen Technologien verhindert oder verzögert wird und somit emissionsintensive Infrastruktur im System verewigt wird, spricht man vom Carbon lock-in. Die CO2 Quellen sind also tief im System verwoben, eingeschlossen und nachträglich schwer zu entfernen.


Die im System eingebettete CO2 Quelle wird somit noch lange bestehen bleiben und durch den Betrieb über einen langen Zeitraum viele Treibhausgase ausstoßen. Auch wenn man vor deren Lebensende ein Umdenken geschieht und Klimaschutzmaßnahmen mit neuen Technologien erfolgen sollen, wird die CO2 Quelle bestehen bleiben, weil ein umrüsten extrem Aufwendig und teuer wäre. Platt ausgedrückt: wenn sich jetzt für ein Kohlekraftwerk entschieden wird, wird man das nicht in 3 Jahren wieder abreißen, um dann ein Wasserkraftwerk zu bauen. Das Kohlekraftwerk wird im Betrieb bleiben und für die nächsten Jahrzehnte CO2 produzieren.


2.1 fiktives Beispiel Stahlwerk

Stell dir vor, du bist Chef eines Stahlwerkes und ihr wollt eine weitere Produktionsanlage bauen. Es stehen zwei Optionen zur Verfügung: der klassische Hochofen, der zwar extrem viel CO2 produziert aber sich in der Praxis bewährt hat, oder das neue Wasserstoffverfahren, welches nur geringe Mengen and CO2 produziert, aber dafür wesentlich teurer und nicht ganz Praxiserprobt ist.

Aus Unternehmenssicht ist das Wasserstoffverfahren wirtschaftlich viel zu riskant, weshalb der konventionelle Hochofen neu gebaut wird. Dieser wird nun für die nächsten 20 Jahre laufen.

Auch wenn sich das Unternehmen in 5 Jahren entscheidet klimafreundlicher zu agieren und neue Technologien verfügbar sind, wird der Hochofen noch 15 Jahre viele Emissionen produzieren. Das CO2, welches über die Lebenszeit produziert wird, wurde mit der Entscheidung des Baus des konventionellen Hochofens also in dem System festgesetzt und lässt sich nachher nur schwer oder gar nicht ändern.


Das stellt ein großes Risiko für die Erreichung der Klimaziele dar, da damit jetzt schon zukünftiges CO2 festgelegt wird. Warum Carbon lock-ins so ein Problem darstellen lässt sich mit der Idee des Carbon Budges gut verdeutlichen und auch verbildlichen.


2.2 Der Budget Ansatz

Das stellt ein großes Risiko für die Erreichung der Klimaziele dar, da damit jetzt schon zukünftiges CO2 festgelegt wird. 2 °C geeinigt, die die Änderung nicht überschreiten darf. Dieses Ziel kann umformuliert werden, in eine maximale Menge an CO2, die maximal ausgestoßen werden darf, um diese Temperaturänderung einzuhalten. Das wird dann auch als unser "Carbon budget" oder "Klimabudget" bezeichnet. Diese festgelegte maximale Menge an CO2 die wir nur noch ausstoßen dürfen wird durch Carbon lock-ins in der Energie Intensiven Industrie (EII) aber schon zu einem großen Teil ausgefüllt. Ein jetzt neu gebautes Kohlekraftwerk mit einer Laufzeit von 20 Jahren nimmt quasi schon viel dieses Budgets in Anspruch, obwohl es jetzt noch kein CO2 produziert hat, die Emissionen über die Laufzeit durch den Bau und folgenden Betrieb aber festgelegt sind.


2.3 reales Beispiel: Deutsche Bahn und der Kohlestromvertrag

Als im Jahr 2020 das neu gebaute Kohlekraftwerk Datteln 4 in Deutschland in Betrieb genommen wurde, gab es große Proteste. Argumentiert wurde, wie den in Zeiten der Klimakrise jetzt ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehen kann. Auch die Deutsche Bahn leidet darunter.

Als das Kraftwerk um die 2000er Jahre geplant und ab 2007 gebaut wurde, lag der Fokus auf Kosteneffizienz und an Klimabelange war gar nicht zu denken. Somit hat sich die Deutsche Bahn damals als Großabnehmer des zukünftigen Kohlekraftwerks verpflichtet. Als das Kraftwerk dann 2020 aber Stand, war die Deutsche Bahn dabei, ihren Betrieb auf ein klimafreundliches Angebot zu polen, was viel über die Nutzung erneuerbarer Energien für den Zugverkehr geschieht. Kohlestrom ruiniert die Klimabilanz recht stark, weshalb die Deutsche Bahn diesen eigentlich gar nicht mehr haben will. Durch die damals geschlossenen Verträge muss die Deutsche Bahn nun aber diesen Kohlestrom abnehmen. Die Deutsche Bahn hat nun also eine Klimalast zu tragen, die sie nach den neuen Prioritäten eigentlich nicht mehr wollen, durch Entscheidungen von vor über einem Jahrzehnt nun aber festgelegt sind.



3 Carbon lock-ins im privaten Alltag


Dieses Konzept lässt sich aber nicht nur auf große Industrien übertragen, sondern auch auf kleine Gebiete wie Haushaltsgeräte. Kauft man sich einen Kühlschrank mit sehr hohem Energieverbrauch, setzt man für die nächsten Jahre den Stromverbrauch fest, da man sich nicht so schnell einen neuen Kühlschrank holen wird. Der Stromverbrauch und die damit verbundenen Emissionen sind somit im System festgesetzt.

Es macht daher auch im kleinen Maßstab, im privaten Haushalt und im Alltag Sinn, sich bei größeren Anschaffungen mit langer Laufzeit wie Haushaltsgeräten, Auto oder Heizungstechnik zukunftsgemäß auszustatten, und nicht veraltete, CO2-intensive Varianten neu anzuschaffen. Das noch verfügbare Klimabudget wird sonst immer weiter schrumpfen und die Konsequenzen des Klimawandels werden stärker.

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