"Chill doch mal"
- Benno Müller
- 5. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Dez. 2022

Als Umweltwissenschaftler lernt man im Studium quasi was warum wo wie gerade alles schief läuft. Warum die Luft und Wasserqualität abnimmt, warum Lebensgrundlagen zugrunde gehen, warum Landstriche unfruchtbar werden, warum Extremwetter zunehmen usw. Das Problem hierbei ist, dass das oft Änderungen sind, welche über einen längeren Zeitraum passieren, nicht bei uns zuhause auftreten und Menschen betreffen die wir gar nicht kennen, sodass Sie nicht so schnell direkt zu erkennen sind (zeitliche, räumliche und soziale Verschiebung von Umweltauswirkungen). Wenn man nicht darauf achtet fällt es weniger auf und die Zusammenhänge sind schwererer zu erkennen, was auch ein Grund für das geringe Umweltbewusstsein oder das Anerkennen der Konsequenzen des eigenen Handelns ist.
Worauf ich mit diesem Artikel hinaus will ist, dass man diesen langsamen Verfall mitbekommt, wenn man darauf achtet und sich damit beschäftigt. Tut man das nicht ist es leichter das alles zu übersehen, sich darüber keine Gedanken zu machen und unverrichteter Dinge weiterzumachen. Ich wurde deshalb schon oft darauf angesprochen warum ich denn da so einen Stress mache oder warum es mich nervt, wenn meiner Meinung nach ignorantes Verhalten (z.B. verschwenderischer Umgang) an den Tag gelegt wird.
Um das zu verstehen müsst ihr wissen, dass ich, wie oben beschrieben, mit vielen Umweltproblemen wesentlich mehr Berührungspunkte habe und tiefer in dem Thema drin stecke, als der Durchschnitt. Das sollte auch so sein, immerhin ist das mein Studien- und Arbeitsgebiet und man kann von den anderen nicht erwarten, dass sie auch die Zeit und Energie haben sich mit dem gleichen Themen so intensiv zu beschäftigen. Das Problem ist, dass ich dadurch viel mehr mitbekomme was abgeht und was das bedeutet als andere.
Ich sehe das alles als einen großen Schatten, der sich still, langsam aber sicher und auch irgendwie heimlich über alles legt. Viele sehen diesen Schatten nicht oder denken davon geht keine Gefahr aus, weswegen er immer weiter wächst und nach und nach alles Verschlingt. Der Schatten steht dabei metaphorisch für verschiedene Änderungen und damit folgend Katastrophen, Hungersnöte, Krankheiten usw.
Es ist ähnlich wie bei Game of Thrones. Die einzelnen Regionen sollten ihre eigenen kleinen Konflikte beiseite legen um sich gemeinsam der existenziellen Bedrohung stellen.
Besonders wenn man von Dingen wie den Kipppunkten weiss, dessen verheerende Wirkung uns nicht erlaubt, "nur" auszurechnen wie viel wärmer es ausschließlich durch unser Handeln wird. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir "nur 2,3°C erreichen wenn wir diese Menge an Treibhausgasen reduzieren, danach passiert ja keine Änderung mehr weil wir nichts machen". Wenn die Kippunkte erreicht werden geht's fröhlich weiter, weshalb die Dringlichkeit des Problems steigt.
Der Klimawandel ist in vollem Gange. Für mich ist es auch erschreckend gewesen zu realisieren, dass der Klimawandel nicht mehr nur eine Warnung vor der Zukunft ist. Früher habe ich das Thema wahrgenommen als ein paar Wissenschaftler die erzählen, dass in Zukunft etwas passieren wird. Mittlerweile hört man in den Nachrichten regelmäßig von Hitzerekorden, ungewöhnlichen Wetterextremen und weiteren Symptomen des Klimawandels. Es ist wie in einem Film, wo die Warnungen und Prophezeiungen aus dem Anfang es Films im Hauptteil real werden und die Handlung fahrt aufnimmt. Nur dass wir dabei nicht sicher von einem happy end ausgehen können.
Das alles zusammen führt dazu, dass wir vor einer Herausforderung stehen, die wir nicht ignorieren, nicht umgehen, nicht austricksen können. Wir müssen etwas tun, daran führt kein Weg vorbei. Und aufschieben können wir das Handeln auch nicht wirklich. Als Konsequenz haben wir eine extreme Dringlichkeit und Handlungsbedarf, der aber zu wenig Anerkannt wird. Deshalb kann ich das nicht einfach gechillt sehen und mir keine Gedanken darüber machen.
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