Eine bessere Effizienz führt zu mehr Verbrauch - Warum?
- Benno Müller
- 5. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Dez. 2022

Wir schauen uns heute an, wie Anstrengungen hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz am Ende doch zu einer Verschlechterung der Situation führen können. Während meiner Recherche für meiner Bachelorarbeit habe ich nach den aktuellen Treibern der Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie (abgekürzt EII) (Metall, Zement, Papier, ...) gesucht. Dabei bin ich in mehreren Studien auf das Risiko des "Carbon Leakage" gestoßen, welches unter anderem als Grund für den langsamen Fortschritt in diesem Sektor aufgeführt wird. Nach einer kurzen Suche im Web konnte ich auch schnell herausfinden, was dahinter steckt. Ich fand den kurzen Einblick in das Thema super spannend und habe noch einige andere thematisch verwandte Phänomene zusammengefasst:
Gliederung
1 Carbon Leakage
Carbon Leakage bezeichnet das Phänomen, wenn in einem Land die Treibhausgasemissionen steigen, weil ein anderes Land Emissionen reduziert. Das hört sich erstmal komisch an, macht aber Sinn. Zur Erklärung ein kleines Beispiel:
Nehmen wir an, die EU beschließt, Stahl nachhaltiger zu produzieren und verabschiedet ein Gesetz, dass Stahlhersteller in der EU nach neuen, noch besseren Standards Stahl produzieren sollen. Dadurch sinken die Emissionen in der EU, der dort produzierte Stahl ist grüner, aber wird dadurch auch teurer. Die Konkurrenz in China, die weiterhin durch schwache gesetzliche Vorgaben mit "schmutzigen" Technologien arbeitet, kann seinen Stahl günstiger auf dem Weltmarkt anbieten. Infolgedessen wird mehr des billigen, emissionsintensiven Stahls gekauft und produziert. Am Ende wird also durch die Anstrengung in der EU Emissionen zu reduzieren indirekt die Voraussetzung geschaffen, dass in China mehr Emissionen erzeugt werden können. Dieses "Carbon Leakage" kann unterschiedlich groß sein, von einer kleinen Senkung der Gesamtverbesserung bis hin zu einer Verschlechterung im letztendlichen Gesamtbild.
Neben den möglichen negativen Effekten, können aber auch andere, positive so genannte "spill-over" Effekte eintreten. Wird beispielsweise durch die Gesetzgebung der Druck hin zu neuen Technologien erhöht, kann diese Technologie auch in anderen Ländern zur Emissionsreduktion eingesetzt werden, auch wenn dort keine Umweltgesetzgebung dafür vorhanden ist. Es gibt verschiedene Arten, wie genau Carbon Leakages auftreten können.
2 Hoffnungsträger benötigen die richtigen Rahmenbedingungen
Ein weiteres Beispiel für gegensätzliche Wirkungen sind mir in der Vorlesung "Hoffnungsträger der Verkehrspolitik" von Prof. Dr. O. Schwedes untergekommen. Anhand mehrerer Beispielen hat er die Kernaussage präsentiert, dass Hoffnungsträger auch die richtigen Rahmenbedingungen brauchen, um wirklich ihr positives Potential entfalten zu können, und nicht womöglich sogar negativ dastehen. Ein Beispiel war die Elektromobilität: E-Autos haben ein großes Potential um kurze Strecken zu substituieren und in kleineren Autos eingesetzt zu werden. Unter den Rahmenbedingungen "ein E-Auto muss das können was ein Verbrenner kann", also hohe Reichweiten und Geschwindigkeiten, große schwere Autos antreiben etc. kann das Potential nicht ganz ausgeschöpft werden.
Es wurde der ambivalente Charakter solcher Hoffnungsträger betont, dass zwar oft große Potentiale vorhanden sind, man sich aber nicht darauf verlassen kann, wenn die äußeren Umstände nicht passen.
3 "Jevons Paradoxon" oder "Rebound Effekt"
Auch in dem Buch "Wir sind dran" von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman bin ich auf ein Gegensatz-Phänomen aufmerksam geworden. Es wird das so genannte "Jevons-Paradoxon" (oder heute auch "Rebound-Effekt") beschrieben, wo eine Effizienzsteigerung von Prozessen zu einer erhöhten Verfügbarkeit führt, wodurch mehr konsumiert wird und letztendlich der Verbrauch insgesamt gestiegen ist. Erstmals beschrieben wurde dieses Phänomen von dem Briten William Stanley Jevons (1835 - 1882). Aufgefallen ist ihm das bei der Betrachtung neuer Dampfmaschinentechnik und deren Auswirkung auf den Verbrauch von Kohle. Nachdem James Watt eine verbesserte Dampfmaschine mit wesentlich höherem Wirkungsgrad etablierte, stieg anders als erwartet der Kohleverbrauch Englands. Durch die effizientere Nutzung der Kohle wurde die daraus gewonnene Energie günstiger, was zu einer weiteren Verbreitung der Dampfmaschine in verschiedenen Bereichen führte. Somit hat zwar jede Maschine einzeln betrachtet weniger Kohle verbraucht, durch bessere Verfügbarkeit und damit die steigende Menge an Maschinen wurde insgesamt aber mehr Kohle verbraucht als vorher. Zusammengefasst hat Ralf Hartmann die zentrale Erkenntnis mit: "Die effizientere Nutzung von Ressourcen führt insgesamt zu mehr Nachfrage, mehr Verbrauch und sinkenden Preisen", was im Umweltkontext mehr Auswirkungen bedeutet.
4 Zusammenfassung
Die zentrale Aussage soll nicht sein, dass all unsere Mühen umsonst sind und wir keine Anstrengungen in Richtung Nachhaltigkeit unternehmen sollen - ganz im Gegenteil. Ich finde einfach spannend zu sehen, wie komplex das System am Ende wieder sein kann und was es alles zu beachten gibt. Auch zeigt es mal wieder, wie wichtig ein gemeinsamer, internationaler Ansatz für effektives Handeln ist, der Effekt des Carbon Leakage bspw. kann reduziert werden, wenn alle Länder ihre Ambitionen erhöhen und somit "schmutzige Alternativen" generell weniger vorhanden sind.
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