CO2 Quellen und Verteilung in der Stahlproduktion
- Benno Müller
- 14. Nov. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Nov. 2023
Eisen und Stahl ist das am meisten nachgefragte Metall und hat daher erheblichen Einfluss auf unsere Gesellschaft wie sie heute existiert. Dennoch hört man über die Stahlindustrie im Bezug auf die Klimaproblematik, dass dort eine große Veränderung ansteht und man neue Technologien wie Wasserstoff oder Carbon Capture voran treibt. Wir schauen uns in diesem Artikel die Stahlproduktion einmal genauer an, um zu verstehen, wo die Treibhausgase herkommen, wie diese über die Herstellungsprozesse verteilt sind und weshalb die Maßnahmen in der Debatte vorgeschlagen werden.
Gliederung
1.1 Kokerei
1.2 Sintern
1.3 Hochofen
1.4 O2-Konverter
3.1 Recycling
3.2 Wasserstoff (H2)
3.3 Carbon Capture
3.4 Biomasse
3.5 Weitere
1 Stahlproduktion und Treibhausgas-Quellen
1.1 Sintern
Eisen kommt in vielen verschiedenen chemischen Verbindungen vor. Eisenoxide, also Eisen gebunden mit Sauerstoff, sind dabei die wirtschaftlichsten, weshalb Eisenoxide als typische Rohmaterialien eingesetzt werden. Um eine höhere Effizienz im Hochofen zu gewährleisten und gewünschten Eigenschaften zu erreichen, durchläuft das Rohmaterial zunächst den Sinter-Prozess. Das Erz wird beim so genannten Sintern mit Kohle oder Koks und anderen Stoffen vermischt, auf ein Förderband aufgetragen, und unter einer Flamme vorbei geführt. Die Flamme bringt die Kohle zum entzünden. Die Kohle im Gemisch brennt so mit der Zeit von oben nach unten durch. Bei der Hitzeentwicklung agglomerieren die einzelnen Partikel, sie pappen aneinander, was größere Partikel erzeugt. Damit wird die gewünschte Partikelgröße eingestellt. Auch werden die Erze zum Teil schon reduziert, also aus dem Erz das Eisen freigesetzt. Dazu kommen wir im Hochofen noch einmal zu sprechen.
Beim Sintern werden Hohe Temperaturen benötigt die durch das Verbrennen von Kohle entstehen, während zusätzlich CO2 durch die Reduktion des Erzes entsteht (siehe Hochofen). Der Sinterungsprozess trägt durch diese beiden Emissionsquellen mit 24,6 % zu den Gesamtemissionen bei.
1.2 Koken
Im Hochofen soll die Kohle Hitze für die Reaktion erzeugen, Kohlenstoff zur Reduktion liefern, das Roheisen aufkohlen (Kohlenstoff hinzufügen) um den Schmelzpunkt zu verringern und andere spezifische Anforderungen wie Luftdurchlässigkeit oder Stabilität erfüllen. Daher wird die Kohle zur Vorbereitung zunächst durch koken in so genanntes Koks umgewandelt. Die Kohle wird dabei ein einer großen Kammer unter Sauerstoffausschluss erhitzt. Das führt dazu, dass die in der Kohle enthaltenen flüchtigen Bestandteile ausgasen, und die Kohle so mit einem höheren Kohlenstoffanteil zurücklässt. Diese aufkonzentrierte Kohle nennt man dann Koks. Da die Kohle wegen der Anwesenheit von Sauerstoff nicht brennt und sich der Anteil des brennbaren Kohlenstoffs aufkonzentriert, steigt auch der Heizwert.
Die ausgasenden Stoffe kann man als Gas auffangen, und für die chemische Industrie oder als brennbares Gas nutzen. Direktes CO2 bei dem Prozess entsteht nicht. Häufig werden aber fossile Energieträger verbrannt um die hohen benötigten Temperaturen zu erreichen , was letztendlich die CO2 Emissionen während des Kokens verursacht. Diese machen in der gesamten Stahlproduktion 22,4% der Treibhausgas-emissionen aus.
1.3 Hochofen
Das Koks und das gesinterte Eisenerz werden zusammen mit Hilfsstoffen gemischt in den Hochofen gegeben, in dem unten das Roheisen entsteht. Um aus dem Eisenerz, den Eisenoxiden, Roheisen zu erhalten, muss der Sauerstoff entfernt werden. Chemisch wird das über eine so genannte Reduktion erreich. Bei der Reduktion klaut sich ein Kohlenstoffatom aus der Kohle die Sauerstoffatome des Eisenoxids. Dabei entsteht CO2 und Roheisen. CO2 kann durch ähnliche Reaktionen auch durch die beigemischten Hilfsstoffe oder Verunreinigungen entstehen. Als CO2 Quelle tritt also neben dem Verbrennen der Kohle auch direktes CO2 aus der chemischen Reaktion von Eisenoxid zu Roheisen auf.
1.4 O2-Konverter
Das aus dem Hochofen gelangende Roheisen hat einen Kohlenstoffanteil von etwa 5%. Um daraus Stahl herzustellen, muss dieser Kohlenstoffanteil auf unter 2% gebracht werden. Dazu verwendet man das Sauerstoffblasverfahren, bei dem das Roheisen zusammen mit Schrott in einen Kessel gegeben und Sauerstoff durch ein Rohr in das flüssige Gemisch eingeblasen wird. Der Sauerstoff reagiert daraufhin mit dem Kohlenstoff im Roheisen zu CO2, welches als Gas austritt. So wird der Kohlenstoffanteil gesenkt und aus dem Roheisen Stahl hergestellt. Dieser fertige Stahl kann dann in nachfolgenden Prozessschritten weiter verfeinert und verarbeitet werden
2 Treibhausgasverteilung
2.1 Flowchart state-of-the-art Stahlproduktion mit Emissions-heatmap

2.2 Treibhausgasverteilung in der Stahlindustrie nach Prozess
Produktions-schritt | Wert | Erklärung |
Kokerei | 22.4% | CO2 durch fossile Brenstoffe verursacht; keine oder geringe direkte CO2 Emissionen |
Sintern | 24.6% | es werden hohe Temperaturen durch das Verbrennen von Kohle oder Koks erzeugt; Teil-Reduktion des Eisens erzeugt CO2 |
Hochofen | 42.2% | Verbrennen von Koks; Hohe Temperaturen werden benötigt; Reduktion des Eisens mit Koks führt zu CO2 |
O2-Konverter | 1.2% | Injizieren von Sauerstoff um Kohlenstoff zu entfernen um Stahl zu erzeugen, Reaktion führt so CO2 |
Finishing | 9.6% | Stromverbrauch, hot rolling, Legierungsbildung nicht betrachtet |
2.3 Prozentuale Verteilung der Treibhausgasemissionen in der Stahlindustrie

3 Vermeidungsmaßnahmen
3.1 Recycling
Recycling von Stahl passiert in so genannten Elektrolichtbogenofen. Dort wird das Metall mittels elektrischer Energie zum Schmelzen gebracht und kann erneut gegossen werden. Diese Route Stahl zu produzieren macht derzeit 20% der globalen Stahlerzeugung aus. Stahlrecycling verbraucht sehr viel weniger Energie als primär Stahl (neu produzierter Stahl). Auch wird nicht wie im Hochofen CO2 durch die chemische Reduktion erzeugt, weshalb Stahlrecycling 70,9% an Treibhausgasen einspart. Diese Zahl ist aufgrund des Strombedarfs aber sehr variabel. Abhängig von dem genutzten Strom kann die Reduktion höher oder niedriger ausfallen, in Extremfällen z.B. bei mit Kohlestrom betriebenen Elektrolichtbogenöfen könnte die Treibhausgas-Bilanz letztendlich sogar steigen. Stahlrecycling ist limitiert durch Verunreinigungen und Legierungen, die sich negativ auf das recycelte Produkt auswirken können. Darüber hinaus übersteigt die Nachfrage an Stahl die Menge an anfallenden Stahlschrott, das heißt die Kapazitäten von Recyclingstahl könnten in Zukunft nur ca. 40% der Nachfrage decken. Es muss sich daher auch Wegen zur Neuherstellung gewidmet werden.
3.2 Wasserstoff (H2)
Wasserstoff ist dabei ein heiß diskutiertes Thema. Es gibt dabei aber zwei Wege, wie dieser eingesetzt wird: im Hochofen selbst oder im Direktreduktionsverfahren (DRI). Der Ansatz Wasserstoff direkt in den Hochofen zu injizieren bringt den Vorteil, dass der Sauerstoff vom Eisenoxid nun mit dem Wasserstoff zu H2O reagiert, statt mit Kohlenstoff zu CO2. Man spricht von einer Substitution des Reduktionsmittel. Das umzusetzen ist aber sehr schwierig, da die Öfen für den Betrieb mit Wasserstoff umgebaut und unter sehr spezifischen Bedingungen betrieben werden müssten. Zusätzlich ist die Reduktion der Klimabilanz nur auf 8% bis 21,4% begrenzt, während Wasserstoff sehr teuer ist. Deshalb wird in Zukunft vermehrt auf das Direktreduktionsverfahren gesetzt. Das Eisen wird dabei bei niedrigerer Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes mit dem Reduktionsgas durchströmt, welches den Sauerstoff aus dem Eisenoxid aufnimmt. Das Reduktionsgas ist ein Gemisch aus Kohlenmonoxid CO und Wasserstoff H2. Vorteil hierbei ist, dass das Gas variiert werden kann. Es kann zunächst Erdgas genutzt werden, welches mit der Zeit mit immer mehr Wasserstoff vermischt werden kann. Um dann auf einen Betrieb mit 100% Wasserstoff zu wechseln, sind nur kleine Anpassungen nötig. Das Produkt der Direktreduktion ist fester, so genannter Schwammstahl, welcher im nächsten Schritt in einem Elektrolichtbogenofen geschmolzen und anschließend weiterverarbeitet wird. Durch diese Route Stahl zu produzieren lassen sich je nach genutzem Reduktionsgas 34,4% bis 54,1% Treibhausgase einsparen. Das liegt unter anderem daran, dass die DRI Route an sich schon weniger Energie benötigt, keine Kohle bzw. Koks eingesetzt wird und weniger bzw. kein CO2 durch die Reduktion des Eisenoxides entsteht.
Bei Wasserstoff spielt die Herstellung eine große Rolle. Einerseits ist Wasserstoff ein limitierter Rohstoff, der erstmal in ausreichenden Mengen produziert werden müsste, wenn die Stahlindustrie mehr Bedarf hat. Dann kommt die Frage hinzu, wie dieser erzeugt wird. Wasserstoff kann aus fossilen Quellen wie Erdgas oder Kohle chemisch bzw. thermisch gewonnen werden, oder mittels Elektrolyse über elektrischen Strom. Da die Elektrolyse aber viel Strom verbraucht, kann diese die Klimabilanz abhängig vom eingesetzten Strom maßgeblich beeinflussen. Elektrolyse ist also auf grünen Strom angewiesen um sinnvoll eingesetzt zu werden. Des weiteren ist Wasserstoff derzeit noch sehr teuer und es braucht noch einen Ausbau der nötigen Wasserstoff Infrastruktur.
3.3 Carbon Capture
Auch Carbon Capture ist eine bekannte Technologie. Dabei werden die Abgase aus dem Hochofen aufgefangen und das CO2 vor deren austreten heraus gefiltert. Das aufgefangene CO2 kann anschließend in anderen Industrien weiterverwendet werden (Carbon Capture Utilization, CCU) oder es kann gespeichert werden (Carbon Capture Storage). Diese Technologie verspricht eine 30% bis 57%ige Reduzierung an CO2 in den konventionellen Stahlrouten, ohne den Herstellungsprozess zu verändern. Die Reduktionsleistung ist dabei abhängig vom eingesetzen Strom und des benutzten Lösemittels im Filterprozess. Carbon Capture im Zusammenhang mit Hochöfen ist in der Stahlindustrie ist als langfristige Lösung aber kritisch zu betrachten. Für die Industrie gibt es Alternativen wie den DRI Prozess mit Wasserstoff, welche die Quelle der Treibhausgase angehen. Carbon Capture hingegen ist nur ein Ansatz die entstehenden Auswirkungen zu reduzieren, anstatt die Entstehung zu hindern. Auch filtert Carbon Capture nicht 100% des CO2 aus dem Abgas, die Technologie ist noch nicht voll ausgereift und braucht auch entsprechende Infrastruktur, die so noch nicht vorhanden ist. Es ist also eine sinnvolle Technologie, um bestehende Hochöfen auszurüsten und deren Treibhausgase zu reduzieren, langfristig sollte aber eher auf DRI mit Wasserstoff gesetzt werden, statt weiter Hochöfen zu bauen, die dann mit Carbon Capture ausgestattet werden.
3.4 Biomasse
Ein weiterer Ansatz die bestehende Stahlproduktion klimafreundlicher zu gestalten ist der Einsatz von Holzkohle statt fossiler Kohle. Das würde zwischen 28,1% und 40% an Emissionen sparen. Ob das auch im großen Stil Sinn macht ist fraglich. Der große Bedarf an Holz würde zu großer Abholzung führen, was im Kontext der sowieso voranschreitenden Entwaldung und Biodiversität nicht Zielführend im Sinne der Nachhaltigkeit ist. Für einzelne Standorte mit ausreichend Biomasse, wie ein Stahlwerk in Schweden, könnte Biomasse aber eine machbare Ergänzung sein.
3.5 Weitere
Natürlich gibt es noch weitere Möglichkeiten die Stahlindustrie zu dekarbonisieren, die hier aufgeführten sind nur die nach meiner Recherche und Evaluation relevantesten.

Genauere Informationen, Quellen und eine ausführlichere Analyse findet ihr in meiner Bachelor-Thesis zum Thema "Supply chain decarbonization of battery electric vehicles - identification and comparison of reduction measures".
Opmerkingen